Bald ist es so weit: Das Christkind steht vor der Tür. Heute am 23. Dezember gibt’s von mir bereits ein kleines Geschenk. Das Interview zum vierten Adventssonntag liegt mir besonders am Herzen. Es geht nämlich um das Thema: Frauen im Motorsport. Dazu habe ich mich mit Rennfahrerin Laura Kraihamer unterhalten.
Wie steht es um die Frau im Motorsport? War 2018 ein gutes Jahr?
Laura Kraihamer: „Um die Frau im Motorsport steht es im Moment überhaupt nicht schlecht. Gerade in den letzten zwei Jahren hat sich bei der Akzeptanz sehr viel getan. Ich als Frau habe überhaupt nicht das Gefühl, im Motorsport nicht willkommen zu sein. Das Jahr 2018 hat sicherlich hohe Wellen geschlagen. Zum einen gab es zum Beispiel mit Tatiana Calderons Formel-1-Test viel Positives, auf der anderen Seite gab es mit der W-Series oder den Grid Girls auch Themen, die stark polarisiert haben.“
Als Frau im Motorsport, hat man da einen Vor- oder Nachteil?
Kraihamer: „Wenn man als Frau etwas richtig macht, dann bekommt das mehr Beachtung. Wenn man etwas falsch macht, dann aber auch (lacht). Das ist eine 50:50-Geschichte. Man fällt schon mehr auf. Es gibt auch schon viele Sponsoren, die auf Frauen setzen, die den Motorsport mit ihrer Leidenschaft darstellen. Da kann es dann schon ein Vorteil sein.“
Hat es in deiner Karriere schon einmal einen Moment gegeben, wo Du nur auf dein Geschlecht reduziert wurdest?
Kraihamer: „Es hat einmal einen Moment gegeben, noch gar nicht so lange her, da hat mich jemand gefragt, ob KTM mir mein Rennprogramm deshalb bezahlt, weil ich ganz gut aussehe. Und das hat mich schon sehr getroffen, dass es diese Meinung überhaupt noch geben kann. Das war das Einzige, das ich in diese Richtung in den vergangenen drei, vier Jahren gehört habe.“
Du hast die W-Series bereits angesprochen. Im Vorfeld hast Du die Serie in einer Kolumne für „Rally&more“ stark kritisiert. Warum hältst Du diese Kategorie für keine gute Idee?
Kraihamer: „Ich bin gebeten worden, mich zu bewerben. Das habe ich dankend abgelehnt. Das Thema dahinter ist: Als Frau im Motorsport wandelt man immer auf einem extrem schmalen Grat. Zwischen dem Akzeptiertwerden als Fahrer und dem Akzeptiertwerden als Frau. Man muss dann für sich selbst entscheiden, welchen Weg man verfolgt. Für mich persönlich war immer wichtig, als Rennfahrer akzeptiert zu werden und nicht als Frau.“
„Wenn man als Rennfahrer akzeptiert wird, dann wird man auch als Frau, Mann oder was auch immer akzeptiert. Es gibt leider einen sehr schmalen Grat als Frau im Rennsport zwischen: seine Ergebnisse verkaufen und sich als Frau verkaufen. Weil das auch von der Außenwelt so dargestellt wird.“
Was kritisierst Du an der neuen W-Series besonders?
Kraihamer: „Ich habe mir überlegt, für was ich stehen möchte. Und es gibt nichts auf der Welt, was mir so viel bedeutet, wie Motorsport. Und es gibt für mich dort auch kein größeres Ziel, als Fahrer erfolgreich zu sein – aber nicht als Frau. Das Problem ist aber – und das sieht man jetzt auch ganz gut bei der W-Series -, dass das als Marketing-Tool verwendet wird. Weil man doch sehr viel Geld in die Hand nehmen muss, um so etwas hochzuziehen.“
„Ich habe mir meinen Ruf als Fahrer so hart erkämpft, dass ich jetzt nicht bereit bin, meinen Namen für etwas herzugeben, wo ich nicht einmal genau weiß, für was das eigentlich steht. Denn die Aussagen sind sehr divers. Sie wollen die Frau im Motorsport beleuchten, das machen sie zwar, aber die Frage ist auch immer, wie man das macht. Und es ist im Endeffekt nur ein Förderprogramm für eine, nämlich die Gewinnerin.“
Jetzt könnte man aber dagegen halten: Endlich wird etwas für die Frau im Motorsport gemacht und trotzdem beschwert sich jede/r darüber …
Kraihamer: „Natürlich ist es genial, dass manche so eine Chance bekommen. Aber – und das muss man auch der Presse vorwerfen – wenn dich die Presse in einem gewissen Licht ablichten will, dann tut sie das auch. Wenn man sich jetzt die Artikel anschaut, von wegen ‚die heißesten Modelle der W-Series‘, dann ist das absolut unwürdig. Und das bildet auch überhaupt nicht die Talente ab, die da dabei sind. Das haben die Fahrerinnen nicht verdient und um das geht es auch gar nicht. Aber es liegt auf der Hand, dass genau das passiert, was jetzt passiert ist. Das ist einfach schade. Das habe ich ganz stark befürchtet.“
Du hast auch kritisiert, dass ein Wettkampf nur unter Frauen nicht zielführend sein kann …
Kraihamer: „Ich verstehe nicht, was das befördern soll, wenn man das trennt. Denn Kritiker könnten jetzt immer noch sagen: ‚Naja, man weiß ja gar nicht, wie schnell die jetzt wirklich sind, denn Vergleich zu den Jungs haben wir keinen‘. Wenn es jetzt super Action gibt und viele Unfälle, dann wird die Frau bestimmt wieder abgestempelt, als diejenige, die nur Schrott produziert.“
„Meiner Meinung nach müsste die W-Series richtig gegen dieses Image arbeiten, aber eine Gegendarstellung zu dieser Publicity habe ich nicht gesehen – aber hoffentlich zeigen die Frauen der Presse, für was sie im Motorsport wirklich stehen. Mir war das einfach zu unsicher, und am Ende des Tages bin ich froh, dass mein Name da nicht dabei ist.“
Ich durfte mit Ellen Lohr in diesem Jahr ein Interview führen, in dem sie Carmen Jorda scharf kritisiert hat. Du warst mit ihr bei einem Test für Nachwuchsfahrerinnen. Würdest Du Lohrs Aussagen teilen oder hast Du ein ganz anderes Bild von der Spanierin?
Kraihamer: „Ich kenne Carmen nur flüchtig. Die Aussagen, die sie über die Frau im Motorsport getroffen hat, teile ich nicht. Ob sie leistungsfähig ist oder nicht, kann ich auch nicht beurteilen. Sagen wir mal so: Die Ergebnisse sprechen nicht dafür. Wobei ich mich damit nicht auseinandergesetzt habe. Da spielt auch das Material immer eine große Rolle. Sie kann sicherlich Autofahren. Was ich schon sagen muss, Carmen hat eine Leidenschaft für Motorsport. Und ich respektiere jede Frau, die eine Leidenschaft für diesen Sport hat und das macht.“
Du hast Carmen Jorda bei besagtem Test in Spanien getroffen. Wie ist dieses Assessment der FIA abgelaufen?
Kraihamer: „Der Test wurde von der FIA veranstaltet. 15 Mädels aus der ganzen Welt sind eingeladen worden. Tatiana Calderon, Sophia Flörsch, Carmen Jorda, Mikaela Ahlin-Kottulinsky, Christina Nielsen, Amna Al Qubaisi, Marta Garcia, Beitske Visser, Michelle Gatting, Rahel Frey und viele mehr.“
„Es war ein Bewertungsprogramm, wo wir die Chance bekommen haben, ein Formelauto und ein GT-Auto zu fahren. Gemeinsam mit den Ingenieuren konnten wir zusammenarbeiten und am Ende des Tages hat man von der FIA eine Beurteilung über seine Stärken und Schwächen bekommen. Das war für uns selbst sehr gut, aber auch der Austausch untereinander war sehr cool. Der Hintergrundgedanke dabei war sicherlich auch für die FIA, Daten über Frauen im Rennsport zu sammeln.“
Eine weitere Frau, die sich sehr für weiblichen Nachwuchs einsetzt, ist Susie Wolff. Sie hat mit ihrer Kampagne ‚Dare to be Different‘ vor ein paar Jahren eine eigene Initiative gestartet. Hältst Du das für zielführend?
Kraihamer: „Ich glaube, Susie Wolff setzt mit ihrer Kampagne genau richtig an. Sie macht sicherlich am meisten Aufbauarbeit. Sie fördert den Nachwuchs und gibt den Jungen eine Chance. Sie bringt die jungen Mädels ins Kart. Denn ich glaube nicht, dass unser Hauptproblem darin liegt, dass die Mädels, die jetzt schon im Motorsport aktiv sind, nicht akzeptiert werden. Sondern, dass zu wenige Frauen anfangen.“
„Susie Wolff macht einen mega Job. Sie ist für mich ein großes Vorbild, ich bewundere sie extrem, weil sie immer für ihre Leistung gestanden ist. Sie ist eine tolle Frau und man merkt bei ihr einfach, dass sie sehr viel Leidenschaft für Motorsport hat. Sie ist richtig gut darin, indem was sie tut. Ich denke, dass ‚Dare to be Different‘ auf jeden Fall ein Weg ist, um Mädels oder Frauen in den Motorsport zu bekommen.“
Formel-1-Arzt Riccardo Ceccarelli hat in einem Interview unlängst behauptet, Frauen seien weniger risikobereit und hätten es daher schwerer im Motorsport. Was würdest Du ihm entgegnen?
Kraihamer: „Ich glaube, dass kann man nicht an Frau oder Mann festmachen, sondern das ist eine Charakterfrage. Ich will ihm auch gar nicht widersprechen, dass sich das aus der Evolution heraus so entwickelt hat, weil ich das nicht beurteilen kann.“
„Ich für mich selber weiß, dass ich jemand bin, der definitiv die nachhaltigeren Entscheidungen trifft. Deshalb werde ich auch bei Langstrecken-Rennen eingesetzt. Vielleicht habe ich diese Risikobereitschaft nicht so stark, wie ein Konkurrent von mir. Die Frage, die sich dabei aber stellt: Ist Risikobereitschaft der einzige Weg, um erfolgreich oder schnell zu sein?“
Er hat auch erwähnt, dass Frauen in der Langstrecke daher besser eingesetzt werden können …
Kraihamer: „Jein. Ich glaube, dass das eine Charaktersache und ein Lernprozess sind. Zum Beispiel wenn man beim Qualifying eine schnelle Runde nach der anderen raushauen muss. Das habe ich nie auf den Punkt gebracht, bis zu dieser Saison. Da hat das eigentlich immer ganz gut funktioniert. Das ist einfach ein Lernprozess.“
„Vielleicht ist das so, dass Männer da einen Vorteil haben. Vielleicht schaut es aber auch nur so aus, weil es grundsätzlich mehr Männer gibt. Die letzte wissenschaftliche Studie zu dem Thema, die ich gelesen habe, sagt nichts anderes aus als: Die Voraussetzungen für Mann und Frau im Motorsport sind exakt die gleichen.“
Wer hat deiner Meinung nach von allen Nachwuchsfahrerinnen, die schon genannt wurden, die größte Chance, in die Formel 1 vorzudringen? Susie Wolff hat diese Frage mit drei Namen beantwortet: Calderon, Visser und Flörsch. Würdest Du ihr zustimmen?
Kraihamer: „Ich glaube, Tatiana und Beitske auf jeden Fall. Dann gibt es noch ein paar andere, wie Sophia, Amna oder auch Jamie Chadwick zum Beispiel, die alle extrem gute Chancen haben. Aber die sind noch sehr jung und brauchen noch Zeit. Die sind alle stark. Ich glaube, dass jede Einzelne von ihnen das Zeug dazu hätte.“
Kommen wir konkret noch zu deiner Person. Dein Bruder Dominik ist im Motorsport ebenfalls stark verankert. Woher kommt diese Leidenschaft für Motorsport in eurer Familie und würdest Du auch ohne ihn Rennautos fahren?
Kraihamer: „Die Leidenschaft für schnelles Autofahren und Fahrzeuge war immer schon gegeben. Dann war es so, dass wir im Urlaub oft mit Leihkarts gefahren sind. Und ich war als Kind schon relativ burschikos. Wir haben dann die Chance bekommen, dass wir in ein Rennkart steigen. Ich konnte ein Jahr nach ihm anfangen. Und ich war dann immer mit bei den Rennen und natürlich blickt man immer auch auf den großen Bruder auf. Diese Affinität für Autos ist dann irgendwann zur Leidenschaft geworden.“
„Aber man muss auch anmerken, dass Motorsport nicht nur lustig ist. Das ganze Reisen kann auch sehr anstrengend sein. Da muss man dann mal in der Nacht Wäsche waschen. Ich war insgesamt mehr als 20 Rennwochenenden nicht zu Hause in diesem Jahr. Ab einem gewissen Level kann man das nur noch machen, wenn man dafür eine absolute Leidenschaft hat. Das tut man sich sonst nicht an und das Risiko ist dann auch viel zu hoch. Ich kann mich noch erinnern, als ich dann die ersten Platzierungen weiter vorne erreicht habe. Ab da kann Motorsport richtig süchtig machen.“
Wie läuft der Austausch mit deinem Bruder?
Kraihamer: „Dominik hat mir extrem geholfen in der Vorbereitung auf Langstreckenrennen, da er ein absoluter Spezialist ist. Er hilft mir sehr viel. Vor allem ist im Motorsport nicht immer alles schwarz oder weiß, es gibt viele Facetten. Und manchmal geht halt mal etwas schief. Und da gibt es für mich nichts Besseres, als den Dominik zu haben, der mich sehr gut kennt und das selbst schon erlebt hat. Und mit dem man das dann teilen kann.“
Was steht 2019 bei Dir auf dem Programm?
Kraihamer: „Ich bin im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder bei KTM. Im X-BOW GT4, viel mehr kann ich aber noch nicht verraten. Es geht ungefähr in die selbe Richtung wie in diesem Jahr.“